In einem ursprünglich für die Arbeitsgemeinschaft Selbständige in der SPD Nordrhein-Westfalen verfassten Artikel zeigt Ortsvereinsmitglied Jens Möllenhoff neue Wege der Arbeitsmarktpolitik für Menschen mit Behinderung auf.
Im Folgenden der Artikel im Wortlaut:
Mitte Juli legte Bundesfinanzminister Schäuble einen Plan vor, wie die Chancen von Menschen mit Behinderung erhöht werden können, eine Beschäftigung mit adäquater Entlohnung zu erlangen. Um dies zu erreichen, solle die sogenannte Schwerbehinderten-Ausgleichsabgabe von derzeit rund 2000 Euro je unbesetzten Pflichtarbeitsplatz auf rund 4000 Euro pro Jahr steigen. Laut Medienberichten reagierte das Bundesarbeitsministerium reserviert auf diese Vorschläge und wolle dies erst einmal bewerten.
Die Beauftragte der Bundesregierung für die Belange von Menschen mit Behinderung, Verena Bentele, begrüßte den Vorschlag bereits. Sie stellte jedoch fest, dass ebenfalls Finanzmittel benötigt werden, um das neue Bundesteilhabegesetz zu finanzieren. Ein selbstbestimmtes Leben zu führen bedeutet, dass behinderte Menschen unabhängig beraten werden, Assistenzleistungen in Anspruch nehmen können und dass sie nicht nur 2.600 Euro ihres Einkommens und Vermögens behalten dürfen. Hierfür sind Mittel nötig, die nicht aus dem Topf der Ausgleichsabgabe kommen können
Meiner Meinung greift eine reine Erhöhung der Schwerbehinderten-Ausgleichsabgabe schon aus folgenden Gründen zu kurz:
Auch 4000 Euro pro Jahr pro nicht mit einem Menschen mit Behinderung besetzten Arbeitsplatz sind selbst für kleine und mittelständische Betriebe keine allzu große Belastung. Ein „Freikauf“ von der Verpflichtung, behinderte Menschen einzustellen, wird so nach wie vor viel zu einfach gemacht.
Außerdem bringt eine von vielen als solche empfundene „Strafabgabe“ weniger als bisher schon in Ansätzen bestehende Anreize, Menschen mit Behinderung zu beschäftigen. Wir brauchen mehr und effektivere Anreize, um diese in Lohn und Brot zu bringen. So lange der Arbeitgeber diese Abgabe als Strafe begreift, wird er höchst unwillig zahlen und, wenn überhaupt, höchst unwillig einen behinderten Menschen einstellen. Wenn man ihn aber darüber aufklärt, was für Vorteile dieser Mensch ihm als Arbeitnehmer bringt, wird er das gerne tun.
Den eingangs erwähnten Vorschlag aus dem Bundesfinanzministerium halte ich hingegen für eine Vernebelungsaktion der wahren Gründe für die katastrophal hohe Arbeitslosenquote unter Menschen mit Behinderung. Diese Quote ist im Vergleich zur Arbeitslosenquote in der nicht behinderten Bevölkerung nicht nur deswegen so hoch, weil die Schwerbehinderten-Ausgleichsabgabe zu niedrig ist. Sie ist auch deswegen so hoch, weil das groß im Koalitionsvertrag angekündigte Bundesteilhabegesetz nun aus Gründen des Finanzierungsvorbehalts auf die lange Bank geschoben wurde.
Damit direkt zusammen hängt auch die ebenfalls aus finanziellen und strukturellen Gründen schleppend vorangehende Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention. Es ist eben einfacher, an der kleinen Stellschraube Schwerbehinderten-Ausgleichsabgabe zu drehen als den ganzen Motor mit Hilfe des Bundesteilhabegesetzes umzubauen.
Es kann außerdem nicht sein, dass man hier an alten Vorgehensweisen und Sichtweisen festhält, obwohl sich neue Methoden und Sichtweisen bereits als viel besser erwiesen haben. Aus der Schwerbehinderten-Ausgleichsabgabe spricht meiner Meinung nach das Bild des Menschen mit Behinderung als ein Sonderling, nicht als ein voll inkludiertes Mitglied der Gesellschaft. Gemeinsam mit mir persönlich haben es sicher viele andere Menschen mit Behinderung satt, ein Sonderling zu sein.
Um Willy Brandt zu paraphrasieren: Wir wollen mehr Inklusion wagen. Aber warum ihn nur paraphrasieren? Ja, wir wollen mehr Demokratie wagen, denn jedes Streben nach mehr Inklusion ist ein Streben nach mehr Demokratie!